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Haus zum Seilen

Es gibt kaum jemanden, der am Hilt-Hof vorbeispaziert, ohne spontan den Wunsch zu verspüren, zumindest den Kopf hereinzustrecken. Der Eingang steht offen: ein schmaler Gang ladet zu Entdeckungsreisen ein. Galerienräume auf beiden Seiten mit zeitgenössischer Malerei und afrikanischer Stammeskunst machen neugierig. Ein geheimnisvolles Innenhöfchen öffnet den Blick in eine südländisch anmutende Wohnidylle: Rebranken wachsen über sonnige Terrassen mit Töpfen voll duftenden Blütensträuchern, und oben fallen gemächlich kühle Wassertropfen in einen Brunnen in schattiger Tiefe.

Obwohl hier alles neu renoviert und zum Teil auch neu aufgebaut worden ist, gibt es keine Spur von steriler Heimatschutzatmosphäre. An diesem Ort wird offensichtlich gelebt, gelegentlich gefestet, aber auch gearbeitet. Wer hier wohnt, hat es leicht, Kontakt aufzunehmen mit seinen Nachbarn, kann sich aber geradesogut zurückziehen in sein individuelles Refugium. Für grössere Zusammenkünfte oder Festlichkeiten gibt es ausserdem den «Römerkeller» mit Cheminée und Bar, der auch von Aussenstehenden gemietet werden kann.

Hinter dieser menschenfreundlichen Altstadt-Oase steht der Galerist Balz Hilt - eine Persönlichkeit, die beharrlich ihren nicht immer leichten Weg gegangen ist, aber nötigenfalls auch Berge versetzen kann!

Als er an diese Liegenschaft gezogen - ein Vorder- und ein Hinterhaus mit völlig verstelltem Innenhof - war alles so verwahrlost, dass sich niemand dafür interessierte. So gründete er ein eigenes kleines Bauunternehmen mit drei Bauhandwerkern und begann, alles Stück um Stück zu renovieren. Dabei konnte er viele Dinge, die er über Jahre hinweg auf Basler Abbruchhäusern zusammengetragen hatte, sinnvoll einbauen: alte Balken und Türen, Vertäfelungen, Gitter, Treppen, Säulen und Kachelöfen. Notgedrungen, sei es, weil das Geld ausging, oder die Behörden mit Bewilligungen zögerten, musste sich Balz Hilt Zeit lassen mit den Arbeiten. Das hatte den grossen Vorteil, dass er alles von Grund auf überdenken konnte. Der Römerkeller beispielsweise, benannt nach der berühmt-berüchtigten Fasnachtsclique, ist eine völlige Neuschöpfung, die gar nicht geplant war. Jeder Kubikmeter dieses riesigen Raumes ist von Hand ausgehoben worden! Gerade die vielen handwerklichen Details sind es aber, die eine Hauch von Mittelalter verbreiten.

Das Haus «zum Seilen», wie es seit dem späten 18. Jahrhundert genannt wurde, gehörte ursprünglich dem Kloster St. Alban. Schäfer und Rebleute waren darin ansässig, später gab es hier gemäss alten Urkunden auch eine Nagelschmiede und einen «Beckenofen». Mehrere Seiler übten an dieser Stelle ihr Gewerbe aus - sie gaben dem Haus wohl den Namen - und von 1860 an wurde eine Spenglereiwerkstatt betrieben.

Jetzt geht es ruhiger zu in den verwinkelten Räumlichkeiten. Was viele nicht wissen: Balz Hilt führt im Erdgeschoss nicht nur seine Galerie, er besitzt auch ein Kunstmaleratelier. Seine eigenen Bilder bringt er aber nur unter einem Pseudonym an die Öffentlichkeit. Vor kurzem sind zuständige Leute an der ART auf ihn aufmerksam geworden, so wurde er dazu eingeladen, sein Werk im nächsten Jahr mit einer grossen Ausstellung in Montbéliard zu zeigen.

Balz Hilt ist ein «Gründer», ein kreativer Unternehmer - immer ein Stück der Zeit voraus und trotzdem mit viel Liebe zu traditionellen Werten. Gegründet hat er beispielsweise mit Theo Tanner zusammen die Buchhandlung Tanner an der Streitgasse. Er vertiefte sich damals nach einer Zweitausbildung als Buchhändler in die englische Literatur und baute die «english books»-Abteilung auf. Schon in dieser Zeit begann er, sich mit Kunst zu beschäftigen. 1955 wagte er dann den Sprung und eröffnete an der Aeschenvorstadt seine erste Galerie. Die alten Räume mussten umgebaut werden - sein Zweitleben als Baumeister begann. Es hat ihn bis heute nicht losgelassen.

Zu seinen ersten Künstlern gehörten Hans Erni, als er noch verfemt war und Alois       Carigiet, dem er zum Durchbruch verhalf. Balz Hilt war es auch, der zusammen mit Trudl Bruckner die Initiative zur Basler ART gab. Fast 200 Ausstellungen hat er bis heute durchgeführt - man erinnert sich vor allem noch an die Zeiten an der Rittergasse. Zu den Pionieren gehörte er vor allem mit der Präsentation von Naiver Malerei und Art Brut. Zur afrikanischer Kunst kam er durch René David, Besitzer der Galerie Walu in Zürich. Intensiv hat er sich in diese faszinierende aber auch schwierige Materie eingearbeitet. Er ist froh, dass er sich auch auf befreundete Fachleute in Paris abstützen kann, denn es braucht viel Fachkenntnis, um die echten kultischen Stücke erkennen und beurteilen zu können. Sogenannte «Flughafenkunst» gibt es ja zuhauf.

Seit vielen Jahren arbeitet Balz Hilt auch mit der Galerie Dora Beno in Zürich zusammen, doch nach einem zehnjährigen Abstecher in Zürich hat er jetzt mehr denn je wieder Wurzeln in Basel gefasst. Da gibt es ja auch noch sein «Traumschloss» in Angenstein, das alte Zollhaus, an dem er schon viele Jahre renoviert und baut. Vor kurzem hat er die Räume mit einem herrlichen Fest mit Corpatoo, dem Maler-Metzger aus Fribourg, eingeweiht.

 

Quelle
Edith Schweizer-Völker, aus der Zeitschrift «B wie Basel», Oktober 1971