In kaum mehr lesbaren Lettern steht an der Fassade der Kunstgalerie St. Alban-Vorstadt 52 der Name «zum Seilen», der dem Haus wohl ums Jahr 1790 verliehen wurde, als Wilhelm Glaser, der erste von drei Seilern seines Geschlechts, dort einzog; die Vergangenheit der Liegenschaft aber lässt sich bis in den Beginn des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Die erste Kunde von der Liegenschaft St. Alban-Vorstadt 52 stammt aus dem Jahr 1413, in dem sie der Metzger Hennan Kübler erwarb. Ihre Bezeichnung als «Pfaffen Röubli sel. Hus» lässt darauf schliessen, dass sie zuvor von dem Domkaplan Johannes Röubli, dem Inhaber der ersten Pfründe am Altar der heiligen Anna, in der hinteren Krypta des Münsters, bewohnt war. Grundherr war das Kloster St. Alban, das davon, ebenso wie Domstift, einen Zins von einem Pfund bezog.
1439 verkaufte der Sporer Stephan Soder die aus zwei Hofstätten bestehende Liegenschaft mit dem Gärtlein dahinter um 40 Gulden an Elsi, die Tochter des Rebmanns Burkhart von Sirenz. Diese veräusserte sie indessen bereits zwei Jahre später an Agnes, die Witwe des Rebmanns Clewi Ris, wobei sie nur 30 Gulden löste; doch bedang sie sich ein lebenslängliches Wohnrecht darin aus. Agnes Ris schenkte das Anwesen 1446 ihrem Bruder, dem Schäfer Hans Gernler, und ihrer Schwester Margreth. 66 Jahre später gelangte es nochmals in den Besitz der Familie Gernler, indem es Alban Gernler, gleichfalls Schäfer und Ratsherr zu Gartnern, 1512 vom Probst zu St. Alban erwarb.
1667 stand die Liegenschaft im Besitz des Rebmanns Hans Segenmann, des Vaters von Matthias Segenman, der seit 1678 als Zunftmeister zu Rebleuten amtete unter den Stiftern des von dem Goldschmied J.J. Birmann II. geschaffenen, silbervergoldeten Prunkbechers, des «Wolfs», figuriert, welcher noch heute bei Zunftanlässen auf dem Ehrentisch prangt. Während den Wirren des Jahres 1691 wurde Matthias Segenmann «auf Begehren E.E. Bürgerschaft» seiner Würde entsetzt. Ihm folgte auf dem Meisterstuhl Albert Tschudi; doch entdeckte man bald, dass er gar nicht Stadtbürger war: Zwar hatte sein Vater das Bürgerrecht erworben, als der Sohn sechs Jahre alt gewesen, doch hatte dieser bei Erreichung der Volljährigkeit unterlassen, um dessen Erneuerung nachzusuchen. So fand sein Meistertum schon nach etlichen Monaten ein Ende, und ebenso wurde sein Nachfolger Jacob Meyer, dieser wohl aus politischen Gründen, noch im gleichen Jahr «aus dem Rat gemustert», worauf die Meisterkrone an den Notar Hans Ludwig Wettstein überging, der sie bis zu seinem Tod im Jahr 1711 trug.
Einer dieser vier Rebleuten-Zunftmeister des Jahres 1691, Jacob Tschudi, hatte das Haus St. Alban 1668 von seinem Schwiegervater Hans Segenmann übernommen; doch war es 1676 an den Schneider Johannes Abel, genannt Landvogt, und später an den Rebmann Georg Dürr gelangte, der indessen 1688 seinen Konkurs anmelden musste. Dabei wurde die Liegenschaft durch den Nagler Heinrich Scherb ersteigert, der sich alsbald um die Bewilligung bewarb, darin eine Esse einrichten zu dürfen. Sie diente auch seinem Nachfolger, dem Nagelschmid
Jeremias Gisler, bis dieser das Anwesen 1707 an den Mehlmesser Emanuel Sulger-Gnöpf, den Sohn des Herrenschmiedes Hans Caspar Sulger-Hoffmann abtrat. 1721 ging die Liegenschaft an den Weissbeck Friedrich Dussing, den Eigentümer des Nachbarhauses Nr. 50, über, der mit der Zustimmung des Fünfergerichts darin einen «Beckenofen» aufstellte. Esther Dussing-Herzog, die Witwe seines früh verstorbenen Sohnes Wernhard, verpfändete das Anwesen mehrfach: 1772 an den Metzger Johann Georg Dietiker, 1773 an Anna Margaretha Brand, die Witwe des Kunstmalers Johann Rudolf à Wengen, der, wie sein Vater, die zahlreichen Neubauten der 1760er Jahre mit dekorativen Supraporten schmückte, und 1779 an den Fiscus Batterianus, ein von der Universität zinstragend angelegtes Stipendium für Theologiestudenten, das 1643 von Jacob Battier, einem als Sekretär des Vizekönigs von Irland, des Grafen Leicester, in Convent Garden bei London verstorbenen Basler Theologen, gestiftet worden war.
1790 übernahm der Schwiegersohn von Esther Dussing, Wilhelm Glaser-Dussing, die Beckenbehausung und richtete darin eine Seilerei ein.; damals muss die Liegenschaft den Namen «zum Seilen» erhalten haben. Die Seiler bildeten eine besondere Handwerksgruppe innerhalb der Zunft zu Gartnern, der sie zugehörten, weil die Gärtner die wichtigsten Abnehmer ihrer Erzeugnisse waren. Nach Wilhelm Glaser führten 1825 sein gleichnamiger Sohn und seit 1828 dessen Bruder Andreas Glaser das väterliche Gewerbe im Hause zu St. Alban fort. In den 1860er Jahren wurde die Liegenschaft durch den Spenglermeister Johann Heinrich Straumann-Walter erworben, dessen Vater, der aus Ziefen stammende Ferger Johann Rudolf Straumann-Werdenberg, sich 1835 in der Stadt eingebürgert hatte und damit zum Begründer der älteren Basler Linie des Geschlechts wurde. Zu den Söhnen von Johann Heinrich Walter-Straumann zählten der bekannte Baumeister Anton Wilhelm Straumann-Hipp sowie Heinrich Straumann-Gamper, der nach dem Hinschied des Vaters die Spenglerei im Haus «zum Seilen» weiterführte. Der letzte Vertreter des Spenglerberufs aus der Familie war sein früh verstorbener Sohn Rudolf Straumann-Matter, mit dessen Tod Haus und Geschäft in andere Hände übergingen; doch bestand die Spenglerwerkstätte fort, bis August Balthasar Hilt in den 1960er Jahren zuerst mietete, 1971 dann erwarb und sie zur Kunstgalerie umwandelte.
Nach dem Tod von August Balz Hilt ging die Liegenschaft 1997 in den Besitz der Erbengemeinschaft Hilt über.
Quelle
Gustaf Adolf Wanner, 12.8.1978